Neue Kickoff-Regeln erklärt: Mehr als nur Returns (2024)

Wenn die NFL im August mit ihrer Preseason beginnt, dürften viele Augen auf die Kickoffs gerichtet sein. Durch eine Regel-Reform wird dieses Play künftig ganz anders als bislang gewohnt von statten gehen.

Dieser Artikel auf einen Blick

  • Das neu eingeführte Kickoff-Format soll die Anzahl von Returns erhöhen und Verletzungen vermeiden
  • Durch das neue Kickoff-Format könnte es zu Änderungen im Kaderbau kommen und Rollen von Spielern verändern
  • Innovative Coaches haben eine Chance, im Besonderen zu glänzen

Der Kickoff und speziell der darauf folgende Return kann mitunter richtig spektakulär und aufregend sein. Man denke etwa an den 92-Yard-Kickoff-Return-Touchdown von Chicagos heutigem Hall-of-Famer Devin Hester zu Beginn von Super Bowl XLI gegen die Indianapolis Colts im Jahr 2007. Ein legendärer Moment, ein Play, das jedoch zuletzt vomAussterben bedroht war.

Die Schattenseite von Kickoff-Returns nämlich war es, dass solche nicht nur zu Chaos, sondern auch zu teils schweren Verletzungen führten. Das Risiko ist dabei besonders groß für die Spieler, die gar nicht den Ball haben, sondern für den Ballträger blocken - oder eben versuchen, den Returner zu stoppen. Mit hoher Geschwindigkeit rauschten da zwei komplette Teams aufeinander zu, die in der Regel mit Vollspeed irgendwann aufeinander prallten. Gehirnerschütterungen und diverse andere Verletzungen waren die Folge.

Entsprechend arbeitete das Wettbewerbskomitee der NFL seit einiger Zeit daran, das Play zu entschärfen, also das Verletzungsrisiko rauszunehmen oder zumindest zu verringern. Maßnahmen dafür waren, den Kickoff-Punkt immer weiter nach vorne zu verschieben - zuletzt war er an der eigenen 35-Yard-Linie - und das Receiving Team bei einem Touchback an der eigenen 25 starten zu lassen. Zudem wurde an den jeweiligen Aufstellungen gefeilt, um nicht mehr eine bestimmte Seite zu überladen.

Die jüngste Maßnahme war eine Übernahme der College-Regel, nach der man per Fair Catch innerhalb der eigenen 20-Yard-Linie den Ball wie bei einem Touchback anschließend an der 25 bekam.All diese Maßnahmen hatten letztlich zurFolge, dass kaum noch Kickoffs returniert wurden. 2023 waren es nur 22 Prozent aller Kickoffs. Meist lag das einfach daran, dass der Kicker den Ball in die gegnerische Endzone oder durch diese durch prügelte und man eben per Touchback weitermachte.

Das Wettbewerbskomitee betrachtete den Kickoff entsprechend als "totes" oder "zeremonielles Play", weil es eben kaum noch Spektakel brauchte. Um das zu ändern, bediente man sich nun einer Regel aus der mittlerweile abgeschafften XFL. Das im Mai von den 32 Teambesitzern für ein Jahr abgesegnete Format funktioniert wie folgt:

NFL: So funktionieren Kickoffs 2024

Die Idee dahinter ist klar: Es soll mehr Returns geben und weniger Verletzungsrisiko. Wie macht man das? Indem man Tempo bei den unvermeidbaren Kollisionen der Spieler ohne Ball rausnimmt. In der Praxis sieht das so aus, dass alle zehn Blocker des Kicking Teams an der gegnerischen 40-Yard-Linie aufgestellt sein werden - also alle außer dem Kicker, der weiter von der eigenen 35 kickt.

Das Receiving Team wiederum postiert mindestens neun Spieler zwischen der eigenen 35- und 30-Yard-Linie. Dieser Bereich wird als "Setup Zone" bezeichnet. Das Ziel ist es nun, den Ball in die "Landing Zone" zu befördern, also in den Bereich zwischen der 20-Yard-Linie und der Goal Line. Und in dieser Zone befinden sich auch bis zu zwei Returner, um den Ball aufzunehmen.

Erst wenn das geschieht oder der Ball den Boden berührt, dürfen sich die Spieler, die nichts mit dem Ball zu tun haben, bewegen. Nur der Kicker und die bis zu zwei Returner dürfen sich auch vorher schon bewegen.

Grundsätzlich gilt aber weiterhin: geht der Ball ins Seitenaus, wird er an der 40 platziert. Geht er in oder durch die Endzone, ist dies ein Touchback und der Ball geht nun an die 30-Yard-Linie.

Dadurch, dass nun keine Kollisionen in Vollspeed mehr zu erwarten sind, wird sich das Verletzungsrisiko beim Blocking verringern. Gleichzeitig aber ist mit größeren Lücken zu rechnen, durch die Returner, die nun gefragter sein werden als in den vergangenen Jahren, durchlaufen und entsprechend Schaden anrichten können. Laut Wettbewerbskomitee-Mitglied Rich McKay, im Hauptberuf CEO der Atlanta Falcons, geht man davon aus, dass diese Maßnahme einen Anstieg der Kickoff-Return-Quote auf 50 bis 60 Prozent zur Folge haben wird. Eine enorme Steigerung zum Vorjahr also.

NFL: So funktionieren Onside-Kicks 2024

Die größten Bedenken gegen das neue Konzept gab es hauptsächlich aufgrund der Tatsache, dass dadurch überraschende Onside-Kicks nicht mehr möglich sind. Solche müssen nun immer angekündigt werden. Und dann sieht die Formation wieder aus wie in den vergangenen Jahren auch.

Ebenso wird es keine sogenannten Squib Kicks mehr geben, also solche Kickoffs, die mit Absicht kurz getreten werden undmehrfach auf dem Boden aufspringen, um zu verhindern, dass ein designierter Returner den Ball bekommt. Kickoffs, die vor der 20-Yard-Linie landen, werden von nun an nämlich automatisch an die 40 platziert.

NFL: Neuer Kickoff hat personelle Konsequenzen

Wie genau Teams mit dieser neuen Art des Kickoffs umgehen werden, werden wir wohl frühestens in der Preseason, vollumfänglich aber erst zum Start der Regular Season erfahren. Doch naheliegend ist, dass das neue Format für Veränderungen beim Kaderbau sorgen könnte.

Hatte man bislang höchstens einen Return-Spezialisten für Kickoffs, macht es nun durchaus Sinn, einen zweiten anzustellen. Gute Kicker sind durchaus in der Lage, einen Ball gezielt von einem einzelnen Kicker weg zu platzieren, wodurch diesem dann mindestens mal das Momentum fehlt, um einen gefährlichen Return zu starten. Mit zwei Returnern wären beide Seiten des Feldes in der "Landing Zone" abgedeckt.

Das hätte natürlich auch zur Folge, dass ein Spieler des Kicking Teams nicht geblockt werden könnte beim Return. Aber hier kommt dann eben die Taktik ins Spiel, die die Special Teams Coaches ligaweit nun ausarbeiten werden.

Das ist aber nicht die einzige mögliche personelle Veränderung. An mehreren Orten war bereits am Rande der OTAs zu hören, dass Teams durchaus kreativ werden könnten - sowohl was Returner als auch Kicker betrifft.

In Pittsburgh wurde spaßeshalber sogar der dynamische Quarterback Justin Fields als Returner ins Spiel gebracht. Soweit wird es nicht kommen, aber wir könnten nun durchaus auch den einen oder anderen Top-Receiver oder -Running-Back als Returner sehen, zumindest in bestimmten Situationen. Denn auch für Returner ist das Verletzungsrisiko nicht mehr wirklich viel größer als für einennormalenBallträger im Spiel.

Und dann wäre da noch die Rolle des Kickers. Die Kansas City Chiefs überlegen nach Auskunft vonSpecial Teams Coordinator Dave Toub etwa, die Mehrheit ihrer Kickoffs nicht von Kicker Harrison Butker ausführen zu lassen. Vielmehr soll hier ein Verteidiger wie Safety Justin Reid ran, der bereits Erfahrung als Notfallkicker gesammelt hat.

Der Grund dahinter: wie die XFL gezeigt hat, waren Kicker in 25 bis 40 Prozent der Tackles bei Kickoff-Returns involviert. Und die Chiefs fürchten offenbar das Verletzungsrisiko, das damit einhergeht. Entsprechend erscheint es durchaus sinnvoll, statt auf einen Kicker doch eher auf einen Spieler zu setzen, der fürs Tackling im Hauptberuf zuständig ist. Hinzu kommt, dass die Chiefs dann beim Verteidigen von Returns elfechteFootballspieler auf dem Feld hätten und nicht nur zehn, wie es mit einem Kicker üblich wäre - ohne den Kickern zu nahe treten zu wollen.

In der Konstellation wäre es dann auch schwer für einen Gegner, tatsächlich zwei Returner abzustellen, denn dann wären gleich zwei Spieler während des Returns rein nominell ungeblockt.

Unterm Strich wird das neue Kickoff-Format nicht nur für mehr Spektakel und weniger Verletzungen sorgen, es gibt Taktik-Genies und den innovativsten Köpfen der Liga die Chance, ihr besonderes Talent auf eine neue Weise unter Beweis zu stellen. Auf den ersten Blick scheint es mit diesem Format nur Gewinner zu geben.

Marcus Blumberg

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